Neue Mineralien
Hier stellen wir aktuell die seit 2009 beschriebenen neuen Mineralien aus den verschiedenen Fundstellen in den Alkaligesteinmassiven Khibiny und Lovozero, Halbinsel Kola, Murmanskaja Oblast, Förderationskreis Nordwestrussland, Russland, vor.
Stand 17. Oktober 2013 - Bearbeitet von Dr. Steffen Jahn
Davinciit
trig. (3m)
Na12K3Ca6Fe2+3Zr3-[Cl|Si(OH,O)|Si3O9|Si9O27]2 9.CG.105
Davinciit ist ein neues Zirkonosilikat der Eudialyt-Gruppe und hier das dritte bekannte K-Glied. Er ist eng mit anderen Gliedern dieser Gruppe (azentrischer Eudialyt, Andrianovit, Kentbrooksit etc.) verwandt. Locus typicus ist ein hyperagpaitischer Pegmatit am Berg Rasvumchorr, Khibiny. Davinciit findet sich in Form von reliktischen Einschlüssen bis 2 mm Größe in bis 2 cm großen Rastsvetaevit-Massen und wird von Nephelin, Sodalith, Kalifeldspat, Delhayelit, Aegirin, Shcherbakovit, Villiaumit, Nitrit, Nacaphit, Rasvumit, Djerfisherit u.a. begleitet.
Davinciit wurde nach Leonardo da Vinci (1452-1519), berühmter italienischer Wissenschaftler, Maler, Bildhauer und Architekt, benannt.
Farbe dkl’lila; Strich weiß; Glasglanz, durchsichtig; keine #, keine Teilbarkeit, Bruch muschelig; Härte 5, spröde; Dichtegem. 2,82 g/cm3.Stärkste d-Werteber. [d Å (I)]: 2.981 (100), 2.860 (96), 4.309 (66), 3.207 (63), 6.415 (54); a = 14.296, c = 30.023 Å. Im Durchlichtkein Pleochroismus. Keine Fluoreszenz. Langsame Auflösung und Gelatinisierung in 50%-iger HCl und HNO3.
Lit.: KHOMYAKOV, A.P. et al. (2012): ZRMO 141 (2), 10-21 (in Russ.). IMA 2011-019.
Depmeierit
hex. (6)
Na8[Al6Si6O24](PO4,CO3)1-x·3H2O (x < 0,5) 9.FE.140
Depmeierit ist ein neuer Vertreter der Cancrinit-Gruppe und hier der erste Vertreter mit PO43--Gruppen als Extra-Gerüst-Anionen. Er stellt das PO4-dominante Analogon zu Cancrinit, Vishnevit, Hydroxycancrinit und Kyanoxalit dar. Strukturell unterscheidet sich Depmeierit von Cancrinit im Gehalt an breiten Kanälen, die Na+, H2O-Moleküle und PO43- (vorherrschend) sowie CO32- enthalten. Sein locus typicus sind die Untertageabbaue am Berg Karnasurt, Lovozero.
Depmeierit bildet zusammen mit Natrolith den Hauptbestandteil eines peralkalischen hydrothermalen, 1,5 cm mächtigen Gängchens, welches durch die Gesteine des Foyait-Urtit-Lujavrit-Komplex‘ setzen. Hierin findet sich das neue Mineral in Form von isometrischen Körnern bis zu 1 cm Größe.
Begleitmineralien sind Steenstrupin-(Ce), Vuonnemit, Epistolit, Sodalith, Aegirin, Serandit, Natisit und Vitusit-(Ce).
Depmeierit wurde nach dem Kristallographen und Mineralogen Wulf Depmeier (*1944), Professor für Mineralogie und Kristallographie an der Christian-Albrechts-Universität in Kiel, in Anerkennung seiner Arbeiten zur Kristallchemie der Sodalith-Cancrinit-Familie und strukturell verwandter synthetischer Komponenten benannt.
Farblos; Strich weiß; Glasglanz, durchsichtig; # perfekt nach {100},Bruch stufig; Härte 5, spröde; Dichtegem. 2,32 g/cm3.Stärkste d-Werte [d Å (I)]: 3.250 (100), 4.695 (91), 3.681 (37), 2.758 (33), 2.596 (31); a = 12.73, c = 5.180 Å. Im Durchlicht farblos, kein Pleochroismus. Keine Fluoreszenz.
Lit.: PEKOV, V.I. et al. (2010): ZRMO 139 (4), 16-25. IMA 2009-075.
Eliseevit
mkl. (2/m)
LiNa1,5{Ti2O2[Si4O10,5(OH)1,5]}·2H2O 9.DE.330
Eliseevit ist ein neues mikroporöses Titanosilikat und strukturell eng mit Vinogradovit, Lintisit, Kukisvumit und Punkaruaivit verwandt. Hinsichtlich der chemischen Zusammensetzung bildet er ein intermediäres Glied zwischen Lintisit und Punkaruaivit. Sein locus typicus sind zwei verschiedene peralkalische Gänge (umgewandelte Ussingit-Pegmatite) in einem differentierten Ijolit-Foyait-Malignit-Komplex im Lovozero-Alkaligesteinsmassiv. Am Berg Alluaiv kommt Eliseevit in einem Aegirin-Eudialyt-Sodalith-Mikroklin-Gang in langprismatischen bis faserigen Kristallen bis zu 2 mm Länge vor, die in Hohlräumen im natrolitisierten Sodalith sitzen und eng mit Albit, Analcim, Chabasit-Ca, Gmelinit-K, Katapleiit, Manganoneptunit, Mikroklin und Murmanit verwachsen sind. Eliseevit ist eines der zuletzt gebildeten Mineralien der Sukzession und findet sich in Hohlräumen im natrolithisierten Ussingit bzw. Sodalith in langprismatischen Kristallen bis 2 mm Länge sowie garbenförmigen Aggregaten bis 5 mm Länge, die von Gmelinit und Phillipsit überzogen sein können.
Am Berg Punkaruaiv tritt Eliseevit in einem Ussingit-Aegirin-Mikroklin-Gang auf und findet sich in Form von radialen Aggregaten aus langprismatischen Kristallen bis 0,8 mm Länge zusammen mit Punkaruaivit und Gmelinit-Ca in Hohlräumen im Ussingit. Eng vergesellschaftet sind Chabasit-Ca, Chkalovit, Eudialyt, Manganoneptunit, Rhabdophan-(Ce), Sodalith, Sphalerit und Steenstrupin-(Ce). Generell bildet Eliseevit prismatische, nach [001] gestreckte und nach {100} tafelige Kristalle, an denen die Formen {100}, {010} und {001} dominieren.
Eliseevit wurde nach dem Geologen und Petrologen Nikolai Aleksandrovich Eliseev (1897-1966), Professor an der Leningrad State University, in Anerkennung seiner Beiträge zur Geologie und Petrologie metamorpher und Alkaligesteinskomplexe benannt.
Farblos bis blass cremefarben; Strich weiß; Glasglanz, durchscheinend; # perfekt nach {100}, Bruch splittrig; Härte ~5, spröde; Dichtegem. 2,68 g/cm3.Stärkste d-Werte [d Å (I)]: 13.76 (100), 3.577 (80), 3.005 (70), 2.881 (70), 6.296 (60); a = 27.48, b = 8.669, c = 5.246 Å, b = 90.78°. Im Durchlicht farblos, mittlere Dispersion.
Lit.: YAKOVENCHUK, V.N. et al. (2011): Amer. Mineral. 96, 1624-1629. IMA 2010-031.
Fivegit
o'rhomb. (mm2)
K4Ca2[AlSi7O17(O2-xOHx)][(H2O)2-xOHx]Cl (x = 0-2) 9.EF.110
Typlokalität des chemisch und strukturell eng mit Delhayelit und Hydrodelhayelit verwandten neuen Vertreters der Rhodesit-Gruppe ist das Bergwerk Tsentral'nyi am Berg Rasvumchorr, Khibiny. Fivegit findet sich hier in einem K-reichen peralkalischen Pegmatit, wo er aus hydrothermal umgewandeltem Delhayelit entstand und Pseudomorphosen nach dessen bis zu 2 × 3 × 10 cm großen Kristallen bildet. Umwandlungsprodukte des Fivegits sind Hydrodelhayelit, Kalborsit und Pektolith; Begleiter sind Aegirin, Nephelin, Sodalith, Mg-haltiger Astrophyllit, Lamprophyllit, Lomonosovit, Shcherbakovit, Natisit, Lovozerit, Tisinalit, Megacyclit, Ershovit, Kryptophyllit, Shlykovit u.a. Flächen mit reinem, nicht umgewandeltem Fivegit erreichen Größen bis zu 2 mm.
Fivegit wurde nach dem Geologen und Bergbauingenieur Mikhail Pavlovich Fiveg (1899-1986), von 1928-1933 Leiter der ersten Erkundung auf Apatit-Lagerstätten im Khibiny-Massiv, benannt.
Farblos; Strich weiß; Glas- bis Perlmuttglanz, wasserklar-durchsichtig; # perfekt nach (100) und deutlich nach (010), Bruch stufig; Härte 4, weniger spröde als Delhayelit; Dichtegem. 2,42 g/cm3.Stärkste d-Werte [d Å (I)]: 3.072 (100), 2.893 (53), 2.943 (47), 3.040 (46), 3.517 (38); a = 24.34, b = 7.038, c = 6.540 Å. Im Durchlicht farblos, kein Pleochroismus. Deutliche Fluoreszenz: kräftig rosa im langwelligen (l = 330 nm), schwach weiß mit fliederfarbenem Stich im kurzwelligen UV-Licht (l = 330 nm).
Lit.: PEKOV, V.I. et al. (2010): ZRMO 139 (4), 16-25. IMA 2009-067.
Fluorcanasit
mkl. (m)
K3Na3Ca5Si12O30(F,OH)4·H2O 9.DN.245
Der neue Vertreter der Canasit-Gruppe und F-dominantes Analogon zum OH-dominierten Canasit stammt aus einem hyperagpaitischen Pegmatit am Berg Kukisvumchorr, Khibiny. Fluorcanasit bildet nach [010] oder nach [001] gestreckte, kurzprismatische Kristalle bis zu 0,2-0,3 × 1-2 mm Größe, die sporadisch im Pegmatitgestein verstreut auftreten. Einige dieser Kristalle enthalten Einschlüsse von Villiaumit und Aegirin, mit denen Fluorcanasit auch eng verwachsen auftritt. Zu den Begleitmineralien gehören ferner Mikroklin, Nephelin, Scherbakovit, Lamprophyllit, Pektolith, Mosandrit, Rasvumit und Molybdänit.
Fluorcanasit wurde aufgrund seiner chemischen Zusammensetzung mit Fluor und der kristallchemischen Verwandschaft mit Canasit benannt.
Farbe violett; Strich weiß; Glasglanz,durchsichtig; # perfekt nach {100} und {201}, weniger gut nach {001}, Bruch splittrig in Richtung der Elongation, stufig in die anderen Richtungen; Härte 5, spröde; Dichtegem. 2,68 g/cm3. Stärkste d-Werte [d Å (I)]: 2.915 (100), 4.204 (40), 5.872 (36), 4.712 (36), 2.358 (32); a = 18.85, b = 7.242, c = 12.65 Å, b = 111,84°. Im Durchlicht mittlere Dispersion und starker Pleochroismus von nb = violett über ng = lila nach na = honiggelb. Keine Fluoreszenz im UV-Licht (λ = 240-400 nm). Langsame Auflösung in 50%igen Säuren wie HCl, HNO3 und H2SO4.
Lit.: KHOMYAKOV, A.P. et al. (2009): ZRMO 138 (2), 52-66 (in Russ.). IMA 2007-031.
Kazanskyit
trkl. (-1)
BaTiNbNa3Ti[O2|(OH)2|(Si2O7)2]·4H2O 9.BH.320
Das neue Gruppensilikat der Rosenbuschit-Lamprophyllit-Gruppe ist das nach Bornemanit, Cámarait und Nechelyustovit erst vierte Ti-Disilikat-Mineral - mit letzteren ist es chemisch und strukturell auch eng verwandt. Er wurde auf einer Nechelyustovit-Stufe entdeckt; sein Fundort ist die +252-m-Sohle des Kirovski-Apatitbergwerks am Berg Kukisvumchorr, Khibiny.
Er findet sich meist in verbogenen Schüppchen von 2-15 µm Dicke und bis zu 330 µm Durchmesser. Kazanskyit bildete sich in einem Pegmatit als Resultat hydrothermaler Aktivität. Begleiter sind Natrolith, Barytolamprophyllit, Nechelyustovit, Hydroxylapatit, Belovit-(La) und -(Ce), Gaidonnayit, Nenadkevichit, Epididymit, Apophyllit-(KF) und Sphalerit.
Kazanskyit wurde nach dem Erzgeologen Professor Vadim Ivanovich Kazansky (*1926), einem Experten für die Metallogenie im Präkambrium, benannt.
Farblos bis blass lohfarben; Strich weiß; Glasglanz, in dünnen Schuppen durchsichtig; # perfekt nach {001}, Bruch splittrig; Härte 3, unelastisch biegsam, meist verbogen; Dichteber. 2,93 g/cm3.Stärkste d-Werte [d Å (I)]: 2.813 (100), 2.149 (82), 3.938 (70), 4.288 (44), 2.128 (44); a = 5.426, b = 7.135, c = 25.51 Å, α = 90.17, β = 90.92, g = 89.96°.Im Durchlicht kein Pleochroismus, keine Dispersion. Keine Fluoreszenz im UV-Licht (240-400 nm).
Lit.: CÁMARA, F. et al. (2012): Mineral. Mag. 76, 473-492. IMA 2011-007.= 89.96°.Im Durchlicht kein Pleochroismus, keine Dispersion. Keine Fluoreszenz im UV-Licht (240-400 nm).
Nechelyustovit
mkl. (2/m)
(Ba,Sr,K,)2{(Na,Ti,Mn)4[(Ti,Nb)2O2Si4O14](O,H2O,F)2}·4,5H2O 9.BH.305
Locus typicus des neuen Heterophyllosilikats und Vertreters der Bafertisit-Reihe ist das Kirov-Bergwerk im Berg Kukisvumchorr, Khibiny. Hier fand es sich in einem hydrothermal umgewandelten, in Nephelinsyeniten nahe ihres Kontaktes zu Ijolit-Urtit sitzenden Pegmatitkörper. Nechelyustovit bildet in Natrolith-Matrix verteilte, rosettenförmige Aggregate bis zu 5 cm Durchmesser. Diese bestehen aus maximal 0,1 mm mächtigen, nach [010] gestreckten und nach (001) plattigen Schuppen und Lamellen. Im TEM wird deutlich, dass Nechelyustovit zwei verschiedene monokline Polytypen bildet, die im Submikrometermaßstab miteinander verwachsen sind.
Begleitmineralien sind Natrolith, Belovit-(La) und -(Ce), Gaidonnayit, Nenadkevichit, Epididymit, Apophyllit-(KF), Sphalerit und winzige Barytolamprophyllit-Aggregate.
Nechelyustovit wurde nach dem Mineralogen Georgii N. Nechelyustov (*1939) in Anerkennung seiner Arbeiten zur mikrosondenanalytischen Untersuchung neuer Mineralien, insbesondere von Titanosilikaten, benannt. Nechelyustov ist Haupt- oder Koautor zahlreicher Mineralerstbeschreibungen, zuletzt der von Andrianovit.
Polytyp 1M: Farbe cremeweiß mit grauen, bläulichen oder gelblichen Tönen; Strich weiß; Glas- oder Perlmuttglanz, durchscheinend, in dünnen Schuppen durchsichtig; # perfekt nach {001} und deutlich nach {100}, keine Teilbarkeit, Bruch uneben; Härte 3, spröde; Dichtegem. 3,32-3,42 g/cm3.Stärkste d-Werte [d Å (I)]: 24.06 (100), 2.828 (42), 5.95 (36), 3.95 (25), 2.712 (19); a = 5.37, b = 7.00, c = 24.05 Å, b = 91.1°. Im Durchlicht keine Dispersion, kein Pleochroismus. Keine Fluoreszenz.
Polytyp 2M: Identisch mit Polytyp 1M, aber a = 5.38, b = 7.04, c = 48.10 Å, b = 91.1°.
Lit.: NEMETH, P. et al. (2009): Eur. J. Mineral. 21, 251-260. IMA 2006-021.
Paraershovit
trkl. (-1)
Na3K3Fe3+2[(OH)2|(Si4O10OH2)2]·4H2O 9.DK.505
Paraershovit ist das Na-defizitäre und Fe3+-dominante Analogon des (Fe3+MnTi)-dominierten, isostrukturellen Ershovits. Sein locus typicus ist ein hyperagpaitischer Pegmatit am Berg Yukspor, Khibiny, wo er sich bereits vor 20 Jahren in einem einzigen Handstück aus dem Bergematerial eines damals vorgetriebenen Stollens fand. Er bildet hier isometrische, nach (100) plattige sowie nach [001] gestreckte, prismatische Kristalle bis zu 1 mm Länge und Aggregate bis zu 3 mm Größe, die in der Pegmatitmatrix verteilt auftreten. Begleiter sind Sodalith, Aegirin, Arfvedsonit, Pektolith, Shcherbakovit, Lamprophyllit, Lomonosovit, Shafranovskit, Villiaumit und Natrophosphat.
Paraershovit kann als Oxidationsprodukt des Ershovits betrachtet werden, aus dem er durch die heterovalente Substitution
+ Fe3+2 ↔ Na+ + M2,5+2 entsteht, wobei für M2,5+ die Ionen Fe2+, Mn2+ und Ti4+ stehen.
Paraershovit wurde aufgrund seiner strukturellen, kristallchemischen und genetischen Verwandtschaft mit Ershovit benannt; der Präfix „Para-“ (grch. für „neben“) bezieht sich ebenfalls auf diese engen Beziehungen.
Farbe gelb mit orange- oder rosafarbenen Tönen; Strich weiß; Glasglanz, durchsichtig bis durchscheinend; # perfekt nach {100}, Bruch stufig bis splittrig; Härte 3, spröde; Dichtegem. 2,60 g/cm3.Stärkste d-Werte [d Å (I)]: 11.778 (100), 4.390 (70), 3.012 (70), 2.606 (70), 4.109 (60), 2.730 (60); a = 10.20, b = 12.02, c = 5.226 Å, a = 103.44, b = 96.02, g = 91.68°. Im Durchlicht kein Pleochroismus, schwache Dispersion. Keine Fluoreszenz. Bei Zimmertemperatur in 50%iger HCl und HNO3 leichte Zersetzung.
Lit.: KHOMYAKHOV, A.P. et al. (2010): Canad. Mineral. 48, 279-290. IMA 2009-025.
Polezhaevait-(Ce)
hex. (6/m)
NaSrCeF6 3.DA.345
Der neue Vertreter der Gagarinit-Gruppe ist das Sr-Ce-dominante Analogon zum Ca-Y-dominierten Gagarinit-(Y) und hat seine Typlokalität in einer natrolitisierten Mikroklin-Aegirin-Sodalith-Linse in den Apatit-reichen Urtiten am Berg Koashva, Khibiny. Polezhaevait-(Ce) bildet parallelfaserige und garbenförmige Aggre-gate aus extrem dünnen Fasern (bis zu 1 mm Länge und < 1 µm Dicke), die - zusammen mit Strontiofluorit - korrodierte, bis 2 cm lange Burbankit-Kristalle teilweise oder vollständig verdrängen. In diesen Aggregaten werden die faserigen Polezhaevait-(Ce)-Kristalle durch Strontiofluorit in genau dergleichen Art zementiert wie Sandkörner durch Gips in den „Wüstenrosen“. Die Burbankit-Kristalle sitzen als Einschlüsse in bis 15 cm großen Natrolith-Kristallen. Weitere Begleiter sind u.a. Aegirin, Arfvedsonit, Astrophyllit, Chlorbartonit, Djerfisherit, Elpasolit, Fluorapatit, Fluorit, Galenit, Hydroxylapatit, Ilmenit, Katapleiit, Lamprophyllit, Lorenzenit, Leucophanit, Natrolith, Nephelin, Orickit, Pektolith, Pyrochlor, Sodalith, Sphalerit, Tainiolit, Titanit, Vinogradovit und Villiaumit.
Polezhaevait-(Ce) wurde nach Lyudmila Ivanovna Polezhaeva (*1935), Expertin für Mikrosondenanalyse von Mineralien, für ihre Beiträge zur Mineralogie von Alkaligesteinen benannt. Der „Levinson modifier“ weist auf das dominierende SEE (hier Cer) hin.
Farbe schneeweiß; Strich weiß; Seidenglanz (in Aggr.), durchscheinend (einzelne Fasern durchsichtig) bis opak; keine #, Bruch splitterig (in Aggr.); Härte ~3 (in Aggr.), geschmeidig (einzelne Fasern sind elastisch); Dichteber. 4,65 g/cm3.Stärkste d-Werte [d Å (I)]: 3.120 (100), 1.796 (90), 2.198 (70), 1.173 (70), 5.416 (40); a = 6.207, c = 3.801 Å. Im Durchlicht farblos, kein Pleochroismus, keine Dispersion.
Lit.: YAKOVENCHUK, V.N. et al. (2010): Amer. Mineral. 95, 1080-1083. IMA 2009-015.
Punkaruaivit
mkl. (2/m)
LiTi2[Si4O11(OH)](OH)2·H2O 9.ER.440
Punkaruaivit ist ein neuer Vertreter der Titanosilikate vom Vinogradovit-Typ; gemäß der Substitution Na+ + O2– ↔ ≤ + (OH)– bildet er das Na-freie, mit einer Vakanz versehene Analogon zu Lintisit. Strukturell ähnelt er Vinogradovit, Lintisit und Kukisvumit. Das Mineral wurde bei systematischen, durch die Bergbaugesellschaft „Apatit“ im Jahre 2000 initiierten Neuuntersuchungen berühmter Fundorte in den Massiven Khibiny und Lovozero entdeckt. Punkaruaivit stammt aus zwei unterschiedlichen hydrothermalen Gängen in diesen Alkaligesteinsmassiven. In beiden Gängen bildet er bis 3 mm lange, gut ausgebildete, nach (100) tafelige und nach [001] gestreckte Kristalle, die auf den Wänden von Lösungshohlräumen in Ussingit (Lovozero) oder Natrolith (Khibiny) kristallisierten. Sie zeigen die trachtbestimmenden Pinakoide {100} und {001} sowie das Prisma {011}, sind nie verzwillingt und treten zumeist in garbenförmiger und radialer Anordnung auf.
Im Lovozero-Massiv fand sich Punkaruaivit in einem Ussingit-Aegirin-Mikroklin-Gang im Nephelinsyenit (Gang No. 71) am Berg Punkaruaiv (schon TL für Gerasimovskit, Belovit-(Ce) und Chkalovit). Der bis 0,5 m mächtige Ussingit-Kern einer 15 m großen und bis 1,5 m mächtigen, konzentrisch zonierten Linse besteht aus Sodalith-Relikten, Aggregaten aus plattigen Murmanit- und Epistolit-Kristallen, Eudialyt, Manganoneptunit, farblosem Chkalovit , dünnplattigem Taeniolit, radialem Mangano- und Ferronordit-(Ce), Steenstrupin-(Ce), pulverigem Rhabdophan-(Ce) sowie den Erzmineralien Galenit (teils mit Cerussit-Kruste), Sphalerit und Löllingit. Punkaruaivit sitzt dort in Hohlräumen in enger Vergesellschaftung mit Chkalovit, Manganonordit-(Ce), Ferronordit-(Ce), Manganoneptunit, Belovit-(Ce), Sphalerit und Gmelinit-Ca. Er bildet hier bis 3 mm lange Kristalle oder radiale Aggregate bis 2 mm Durchmesser in Sodalith.
Im Khibiny-Massiv trat Punkaruaivit in einem Natrolith-Mikroklin-Gang (Gang No. 18) am Berg Eveslogchorr in einer unregelmäßig konturierten, bis 1 m mächtigen Linse mit konzentrischer Form auf. In deren Kern aus weißem, feinkörnigem Natrolith, tafeligem Mikroklin, schwarzen, schwertförmigen Pektolith-Kristallen und graubraunen Murmanit-Tafeln und -Spheruliten fand er sich in abgeplatteten prismatischen Kristallen, die zu garbenförmigen Aggregaten bis 4 mm Durchmesser zusammentreten. Er wird von Belovit-(La), Chivruaiit, Kuzmenkoit-Mn, Murmanit und Monazit-(La) begleitet.
Am Berg Alluaiv, Lovozero-Massiv, trat eine Phase mit einer intermediären Zusammensetzung zwischen Punkaruaivit und Lintisit auf. Sie bildet garbenförmige, Aggregate aus gestreckten, prismatischen Kristallen bis 5 × 0,1 mm Größe und wird von Eudialyt, Aegirin, Arfvedsonit, Zirkon, Belovit-(Ce), Phillipsit-Ca und Phillipsit-K begleitet.
Punkaruaivit wurde nach seinem locus typicus, dem Berg Punkaruaiv, benannt.
Farbe gelblichbraun bis farblos; Strich weiß; Glasglanz, durchsichtig; # perfekt nach {100}, Bruch stufig; Härte 4½, spröde; Dichtegem. 2,60 g/cm3.Stärkste d-Werte [d Å (I)]: 13.3 (100), 6.23 (80), 3.50 (80), 3.01 (70), 2.81 (70); a = 26.69, b = 8.757, c = 5.219 Å, b = 91.19°.Im Durchlicht bräunlichgelb mit schwachem Pleochroismus von Y = hell bräunlichgelb nach X = bräunlichgelb. Keine Dispersion.
Lit.: YAKOVENCHUK, V.N. et al. (2010): Canad. Mineral. 48, 41-50. IMA 2008-018.
Shlykovit
mkl. (2/m)
KCa[Si4O9(OH)]3·H2O 9.ES.185
Kryptophyllitmkl. (2/m)
K2Ca[Si4O10]·5H2O 9.ES.180
Bei den beiden neuen Mineralien Shlykovit und Kryptophyllit handelt es sich um wasserhaltige K- und Ca-Phyllosilikate, die strukturell Mountainit ähneln.
Ihr locus typicus ist ein peralkalischer Pegmatit im Bergwerk Tsentral'nyi am Berg Rasvumchorr, Khibiny, wo sie ein typisches Ergebnis hydrothermaler Aktivitätdarstellen. Shlykovit bildet Plättchen bis zu 0,02 × 0,2 × 0,5 mm Größe oder bis zu 0,5 mm lange Fasern, die zu Aggregaten bis 3 mm Größe, Krusten oder parallel-säuligen Gängchen kombiniert sind. Kryptophyllit findet sich in Plättchen bis zu 0,02 × 0,1 × 0,2 mm Größe; tritt aber nur in - nach {001} orientierten und/oder chaotischen - Verwachsungen mit Shlykovit auf. Begleiter sind u.a. Aegirin, Nephelin, Lamprophyllit, Eudialyt, Lomonosovit, Lovozerit, Tisinalit, Shcherbakovit, Shafranovskit, Ershovit, Megacyclit etc.
Shlykovit wurde nach dem Geologen Valeri G. Shlykov (1941-2007) - Spezialist für XRD-Untersuchungen von Schichtsilikaten sowie der Mineralogie von Sedimentgesteinen - benannt. Kryptophyllit wurde nach griech. krυptoς (kryptós = verborgen) und φυllon (phyllon = Blatt) benannt, was auf seine Schichtstruktur und seinen blättrigen Habitus sowie auf seine enge Vergesellschaftung mit dem visuell nicht unterscheidbaren Shlykovit hinweist.
Shlykovit: Farblos (Aggr. weiß, beige, bräunlich, blass cremefarben oder blass gelblichgrau); Strich weiß; Seidenglanz (faserige) oder Perlmutt- bis Glasglanz (lamellare Aggr.), durchsichtig (Aggr. durchscheinend); # perfekt nach (100), Bruch uneben; Härte 2½-3, unelastisch biegsam. Dichteber. 2,24 g/cm3.Stärkste d-Werte [d Å (I)]: 16.01 (100), 2.903 (84), 6.24 (48), 2.995 (47), 3.197 (27); a = 6.493, b = 6.992, c = 32.09 Å, b = 94.68°. Im Durchlicht farblos, mittlere Dispersion, kein Pleochroismus. Keine Fluoreszenz.
Kryptophyllit: Wie Shlykovit, aber Härte n.b. Dichteber. 2,18 g/cm3.Stärkste d-Werte [d Å (I)]: 16.01 (100), 2.903 (84), 6.24 (48), 2.995 (47), 3.197 (27); a = 6.493, b = 6.992, c = 32.09 Å, b = 94.68°. Im Durchlicht keine Dispersion.
Lit.: PEKOV, I.V. et al. (2010): ZRMO 139 (1), 37-50 (in Russ.). IMA 2008-062 (Shlykovit). IMA 2008-061 (Kryptophyllit).
Strontiofluorit
kub. (m3m)
SrF2 3.AB.130
Der neue Vertreter der Fluorit-Gruppe ist hier das Sr-dominante Analogon zum Ca-dominierten Fluorit sowie zum Pb-dominierten Fluorocronit und zum Ba-dominierten Frankdicksonit. Seine Typlokalität ist eine „natrolitisierte“ Sodalith-Mikroklin-Aegirin-Linse in Apatit-reichem Urtit am Berg Koashva, Khibiny. Strontiofluorit trat hier in kuboktaedrischen Kristallen bis zu 0,5 mm Größe sowie in Form von kompakten Massen auf, die faserige Polezhaevait-(Ce)-Aggregate in durch Auflösung von Burbankit-Kristallen entstandenen Hohlräumen zementierten. Seine Begleiter sind Astrophyllit, Burbankit, Chlorbartonit, Fluorapatit, Fluorit, Lamprophyllit, Polezhaevait-(Ce) und Villiaumit.
Strontiofluorit bildet am Berg Kitchepakhk, Khibiny, bis zu 0,2 mm lange, linsenförmige Einschlüsse in Natrolith und Albit im feinkörnigen Orthoklas-haltigem Urtit. Begleiter sind u.a. Nephelin, Ferrorichterit, Aegirin, Lamprophyllit, Lorenzenit, Stronadelphit und eine unbenannte Phase mit der Zusammensetzung Sr2[F|PO4].
Strontiofluorit wurde nach seiner kristallchemischen Verwandschaft mit Fluorit und seiner chemischen Zusammensetzung mit Strontium benannt.
Farbe blassgrau; Strich weiß; Fettglanz, durchscheinend; # perfekt nach {111}, Bruch stufig; Härte 4, spröde; Dichtegem. 4,05 g/cm3.Stärkste d-Werte [d Å (I)]: 3.32 (100), 2.029 (90), 1.731 (60), 1.172 (50), 1.317 (30); a = 5.713 Å. Im Durchlicht farblos, isotrop.
Lit.: YAKOVENCHUK, V.N. et al. (2010): Canad. Mineral. 48, 1487-1492. IMA 2009-014.
Vigrishinit
trkl. (-1)
Zn2Ti4-x(Si2O7)2(OH,H2O)8 (x<1) 9.BH.290
Der neue Vertreter der Epistolit-Gruppe weist strukturelle Ähnlichkeiten mit Murmanit auf und ist das erste Titan-Schichtsilikat mit mineralartbestimmendem Zn.
Seine Typlokalität ist der Pegmatit No. 71 am Berg Malyi Punkaruaiv, Lovozero. Es handelt sich um einen hydrothermal veränderten peralkalischen Pegmatit, wo Vigrishinit u.a. von Ussingit, Aegirin, Analcim, Gmelinit-Na, Chabasit-Ca u.a. begleitet wird. Er bildet rechteckige oder unregelmäßig begrenzte, nach [001] blättrige Lamellen bis zu 0,05 × 3 cm Größe, die sich typischerweise in blockige Aggregate aufsplittern.
Vigrishinit wurde nach dem Amateurmineralogen und Mineraliensammler Viktor G. Grishin (*1953) in Anerkennung seiner Beträge zur Mineralogie des Lovozero-Komplexes benannt.
Farblos, blassrosa, gelblichrosa; Strich weiß; Glasglanz, durchscheinend bis durchsichtig; # perfekt nach {001}, Bruch n.g.; Härte 2½-3, spröde; Dichtegem. 3,03 g/cm3.Stärkste d-Werte [d Å (I)]: 2.861 (100), 11.7 (67), 4.17 (65), 5.73 (54), 8.27 (50), 6.94 (43); a = 8.743, b = 8.698, c = 11.58 Å, a = 91.54, b = 98.29, g = 105.6°.
Lit.: PEKOV, I.V. et al. (2012): ZRMO 141 (4), 12-27 (in Russ.). IMA 2011-073.
Yegorovit
mkl. (2/m)
Na4[Si4O8(OH)4]·7H2O 9.DM.500
Typlokalität des neuen Minerals - erstes natürliches Natriumsilikat mit Zick-Zack-Einfachketten aus Si-Tetraedern [Si4O8(OH)4]∞ - ist der im August 2002 entdeckte Palitra-Pegmatit (schon TL für Bario-Olgit, Kapus-tinit, Pautovit und Kalioarfvedsonit) im Loparit-Bergwerk Karnasurt, Berg Kedyk-verpakhk, Lovozero. Dieser im August 2002 entdeckte, 7 × 1,5 m große Pegmatit ist bekannt für bis zu 0,7 × 1 m große Schmitzen hyperalkalischer Mineralien. In der späthydrothermalen, niedrigtemperierten Paragenese des peralkalischen Palitra-Pegmatits bildet Yegorovit meist grobkristalline, bis 0,05 × 0,15 × 1 mm große, prismatische Kristalle oder lamellare, bis 0,05 × 0,7 × 0,8 mm große Kristalle, die meist zu divergentstrahligen Aggregaten oder chaotischen Anhäufungen zusammentreten und dann auf den Kristallflächen von Revdit und Megacyclit bzw. den älteren Mineralien Mikroklin, Natrosilit und Villiaumit sitzen. Typisch sind polysynthetische Zwillingsbildung und Parallelverwachsungen. Einzelne Kristalle sind zu Bündeln aggregiert oder zu bis 2 mm großen, chaotischen Gruppen angehäuft; radial-lamellare Aggregate sind seltener.
Yegorovit wurde nach dem Kristallographen und Kristallchemiker Yuri K. Yegorov-Tismenko (1938-2007) von der Moskauer Staatlichen Universität „Lomonosow“ benannt.
Farblos (oberflächlich weiß und matt); Strich weiß; Glasglanz, durchsichtig; # perfekt nach (010) und (001), Bruch splittrig (xx splittern leicht zu nadeligen Fragmenten); Härte ~2, unelastisch biegsam; Dichtegem. 1,90 g/cm3.Stärkste d-Werte [d Å (I)]: 3.116 (100), 6.21 (72), 7.21 (70), 4.003 (49), 3.734 (46); a = 9.874, b = 12.40, c = 14.90 Å, b = 104.68°. Im Durchlicht farblos, kein Pleochroismus, schwache Dispersion. Keine Fluoreszenz, keine Kathodolumineszenz. Bei Zimmertemperatur in verd. HCl langsame Zersetzung ohne sichtbares Sprudeln.
Lit.: PEKOV, I.V. et al. (2009): ZRMO 138 (3), 82-89 (in Russ.). ZUBKOVA, N.V. et al. (2009): DAN 426, 797-801. IMA 2008-033.
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Neue Mineralien in der neuen MINERALIEN-Welt 4/2013
Dieses Mal werden sieben Mineralien aus dem Komplex der Sunday Mine beschrieben, der aus den Bergwerken Topaz, Sunday, West Sunday, Carnation und St. Jude besteht. Die Gruben Sunday, St. Jude und West Sunday sind miteinander verbunden. Sie und der gesamte Komplex befinden sich ca. 25 km NNE Egnar, Gypsum Valley, Slick Rock Mining District, San Miguel Co., Colorado, USA, und bilden einen Teil des Colorado Plateau Uravan Mineral Belt. Von hier sind bereits eine Reihe seltener Vanadate und Dekavanadate erstbeschrieben worden (vgl. MW 3/2009: 86-88).
Im Anschluss daran stellen wir neue Mineralien vor, deren locus typicus entweder in Deutschland liegt (Kleberit, Whiteit-(CaMnMn), Akaogiit, Lahnsteinit) oder hier ihren weltweit zweiten Fundort hatten (Wakefieldit-(Nd), Matulait).
Matulait-Tafeln mit {001}, {010} und {120} auf Kakoxen von Fumade, Tarn, Frankreich.
REM-Foto Vincent Bourgoin and Jean-Claude Boulliard, Association Jean Wyart, Paris.